Steinbrüche in Darmsheim
Große Kreisstadt Sindelfingen Mitteilungsblatt des Stadtteils Darmsheim Donnerstag, 26. Juli 1984
Eine Insel mitten im Ort – Vom Steinbruch zum Aibachgrund
Rede von Georg Rothfelder* bei der Einweihungsfeier
Wenn wir in den nächsten Tagen die Einweihung und Rekultivierung des ehemaligen Steinbruches Kopp feiern, ist dies sicherlich mehr als eine für Tiefbaumaßnahmen sonst übliche Einweihungsfeier.
Mit der Rekultivierung des Steinbruches Kopp konnte nicht nur zum ersten Mal der geographische Mittelpunkt unserer Ortschaft durch ein neues 6 ha großes Gelände gestaltet werden, sondern mit dem Abschluss dieser Rekultivierung verlassen wir auch ein wesentliches Stück unserer jüngsten dörflichen Geschichte, die jahrelang unser Ortsbild entscheidend geprägt und beeinflusst hat.
Um dies etwas deutlicher hervorzuheben, wollen wir gerade diese Einweihungsfeier zum Anlass nehmen, einige Blicke zurück in unsere jüngste dörfliche Vergangenheit zu nehmen.
Wohl kaum eine Gemeinde in BadenWürttemberg war und ist mit Steinbrüchen so gesegnet wie unsere eigene Ortschaft. Einer ganz besonderen geologischen Eigenart verdankt Darmsheim die Steinbrüche. Es ist eine Kalksteinaufwerfung, in der sich größere Vorkommen an Muschelkalk befinden und diese sind das lohnende Ziel des Abbaues.
Fünf Steinbrüche in Darmsheim
Insgesamt fünf solcher Steinbrüche prägten die Geschichte und das Ortsbild unserer Gemeinde. Einer ist vermutlich überhaupt nie gewerblich genutzt worden, sondern von den Bewohnern zum Bruch von Platten genutzt. Er ist dem heute noch einzigen in Betrieb befindlichen Steinbruch Schäfer an der Döffinger Straße vorgelagert und beherbergt heute lediglich eine Außenstelle des städtischen Bauhofes.
Auch der sogenannte „Staatliche Steinbruch“ an der Straße nach Döffingen im Eingangsbereich des Festplatzes „Löchle“ hat nie ein größeres Ausmaß angenommen. Er ist schon seit vielen Jahren stillgelegt und hat sich im Laufe dieser Zeit mehr oder weniger selber rekultiviert. Heute muss man schon genau hinsehen, um noch die Spuren zu erkennen, die er in der Landschaft hinterlassen hat. Immerhin ist mit diesem Material die Straße nach Weil der Stadt gebaut worden.
Der dritte Steinbruch, der heute noch in seinen Ausmaßen voll erkennbar ist und in der Zukunft auch wohl so erhalten bleiben wird, gehörte einstmals der Familie Körner bzw. als Nachfolgerin der Familie Durst. Die Fa. Baresel, die diesen Steinbruch gepachtet hatte, erregte bereits schon 1914 großes Aufsehen, als sie mit einer Feldbahn, deren Schienen parallel zur Schwippe verlegt waren, Material nach Sindelfingen transportierte. So brachte es die Fa. Baresel immerhin auf eine Tageskapazität von 200 cbm, wohlgemerkt zu dieser Zeit noch von Hand geschlagen.
Doch weniger diese Leistung dürfte den älteren Darmsheimern in Erinnerung geblieben sein, als vielmehr der glückliche Umstand, dass während des 2.Weltkrieges, als der Steinbruch brach lag, sich durch verschiedene Quellen dort ein glasklarer ca. 15 m tiefer See bildete. So mancher Darmsheimer betrachtete dies nicht nur als willkommene Bademöglichkeit, sondern er lernte dort auch seine ersten Schwimmzüge. Anfang der fünfziger Jahre wurde der Abbau von Steinen wieder aufgenommen, bis er Mitte der sechziger Jahre endgültig eingestellt wurde.
Heute ist der gesamte Steinbruch durch Erlass der unteren Naturschutzbehörde als „flächenhaftes Naturdenkmal“ ausgewiesen. Ab Anfang der siebziger Jahre hatten sich dort ein Feucht-und Trockenbiotope gebildet, in denen seltene Tier-und Pflanzenarten wieder ihre natürliche Heimat gefunden haben. Um diese nachhaltig zu schützen, wurde der gesamte Bereich unter Naturschutz gestellt, in dem künftig keinerlei Veränderungen vorgenommen werden dürfen.
Wie stark sich das neue Bewusstsein zum Erhalt natürlicher Rückzugsgebiete für gefährdete Tiere und Pflanzen gewandelt und gebildet hat, hat erst jüngst ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg bewiesen, der die Rechtmäßigkeit dieser naturschutzrechtlichen Festsetzung im Falle des Steinbruches „Durst“ zu überprüfen hatte. Er hatte in allen Punkten der Festsetzung des Steinbruches als „flächendeckendes Naturdenkmal“ zugestimmt. Ein Vorgang, der bisher noch nicht allzu viele Vergleiche aufweisen kann.
Der vierte Steinbruch, der als einziger noch in Betrieb ist, wird von der Fa. Gebrüder Schäfer geführt. Erst vor wenigen Jahren wurde für diesen Steinbruch einer Erweiterung des Abbaugebietes zugestimmt. Mit der Neufassung des Bundesbaugesetzes im Jahre 1977 wurde die gesetzliche Verpflichtung eingeführt, dass kein Steinbruch mehr betrieben werden dürfe, ohne dass gleichzeitig eine Rekultivierung des abgebauten Geländes erfolgt. Deshalb wurde die erweiterte Abbaugenehmigung für den Steinbruch Schäfer gleichzeitig an eine Rekultivierungsplanung gekoppelt.
In den vergangenen Jahren hat sich nunmehr aber gezeigt, dass die anfallende Erddeponiemenge, die dieser Rekultivierungsplan zugrunde gelegt wurde, bei weitem übertroffen wurde. Die Unterbringung von Erdmaterial gestaltete sich kreisweit zu einem ernsten Problem. Aus diesem Grunde befassen sich derzeit die politischen Gremien des Ortschaftsrates, Gemeinderates wie auch der Kreistag mit der Frage, ob nicht die Möglichkeit bestünde, das gesamte Abbaugelände des Steinbruches Schäfer nicht einer Vollverfüllung zuzuführen. Unabhängig von technischen, zeitlichen und verfahrensmäßigen Problemen und Fragen erscheint ein Gesichtspunkt besonders bemerkenswert, nämlich, dass durch eine Vollverfüllung wieder ein neues, ca. 21 ha großes Gelände gewonnen werden könnte. Sollte dieses Gelände z.B. der Landwirtschaft wieder zugeführt werden können, wäre dies sicherlich kein uninteressanter Aspekt für unsere immer mehr durch Landverbrauch in die Enge getriebene Landwirtschaft. Welche Lösung letztlich zum Tragen kommen wird, ist Aufgabe der politischen Gremien, deren Beratungen noch andauern.
Der Steinbruch Kopp
Doch nun zum Anlass unserer kurzen geschichtlichen Rückblende und Überleitung zum Steinbruch Kopp.
Nicht die damalige Lage zu Beginn des Steinbruchbetriebes dürfte einmalig gewesen sein, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich eine Ortschaft, eine Gemeinde, um ihn herum entwickelt hat.
Als die Fa. Kopp, die den Steinbruch von Herrn Sautter gekauft hatte, 1930 mit dem Bau einer Brecheranlage – die heute noch im nördlichen Bereich des Geländes sichtbar ist – und Silos begann, konnte keiner im Voraus ahnen, dass die Wohnbauentwicklung, insbesondere nach dem 2. Weltkrieg, so rasant fortschreiten würde. Die Luftbilder aus den Jahren 1950/ 1960 und 1983 belegen dies eindringlich. Heute liegt das Gelände des ehemaligen Steinbruches genau in der Mitte unserer Ortschaft.
Vergessen sind die Zeiten, als noch in den dreißiger Jahren 4 x täglich mit Pferdefuhrwerken das Material aus dem Steinbruch gefahren wurde.
Nicht vergessen sind aber sicherlich die Zeiten, als durch den Fortschritt der Abbaumöglichkeiten durch Großbohrlöcher spürbare Sprengungen noch bis in das Jahr 1975 durchgeführt wurden.
Dass diese Entwicklung nicht so weitergehen konnte und spätestens mit dem Ablauf der Abbaugenehmigung 1975 beendet werden musste, war allen klar. Deshalb handelten die politisch verantwortlichen Personen bereits rechtzeitig vor Ablauf der Abbaugenehmigung, um richtungsweisend für die Zukunft die weitere Entwicklung dieses Geländes zu bestimmen. Bereits 1973 wurde schon ein städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgeschrieben mit der Aufgabe, einen zukünftigen Verwendungszweck dieses in Bälde stillgelegten Steinbruchgeländes zu erhalten. Es gingen insgesamt 49 Arbeiten mit zum Teil abenteuerlichen Lösungen ein. Die Palette reichte von einer Künstlerkolonie über totale Neubebauung bis hin zum Tier- und Alpenpark und zu einer unterirdisch groß angelegten fotochemischen Fabrik. Nachdem sich auch Schüler an dieser Aufgabe versucht hatten, wurden sämtliche Entwurfs- und Gestaltungsentwürfe in der alten Turn- und Festhalle der Bevölkerung vorgestellt. Die Einwohnerschaft, die zu diesen Vorschlägen befragt wurde, setzte sich mit den vorgestellten Ideen lebhaft auseinander. Allein 614 Anregungen und Hinweise wurden von der Bürgerschaft vorgebracht, was ein sichtbares Zeichen war, wie ernst sie die künftige Nutzung und Gestaltung ihrer neuen Ortsmitte nahm.
Rekultivierung zur Parkanlage Aibachgrund
Diese Anregungen aus der Bevölkerung gaben der Verwaltung wertvolle Hinweise und eine wesentliche Grundlage bei ihrer Aufgabenstellung, einen Rekultivierungsplan zu erstellen. Durch den glücklichen Umstand, dass ein Großteil des Steinbruchgeländes 1976 mit ca. 5 ha erworben werden konnte, war nunmehr der Weg frei, die beabsichtigte Rekultivierung in die Tat umzusetzen. Das Gartenamt der Stadt Sindelfingen wurde mit der Gestaltung des neu zu entstehenden Geländes und das Planungsamt mit der Erarbeitung eines Bebauungsplanes für den gesamten Bereich, einschließlich einer möglichen Bebauung oberhalb der Felskanten, beauftragt.
Doch zuerst galt es, das bis zu 55 Meter tiefe und 5 ha große Gelände aufzufüllen. Mit dem Beginn einer großangelegten Auffüllaktion begannen im September 1977 nochmals die großen Beeinträchtigungen und Belästigungen für alle Anwohner, die an der Zufahrtsstraße ihre Grundstücke und Anwesen hatten. Die Belästigungen stiegen ans Unerträgliche, als täglich rund 700 Lastwagen, d. h. etwa alle 45 Sekunden diese Straßen passierten.
Rund 1,8 Millionen m3 mussten angefahren werden, um das riesige Loch so weit zu füllen, dass mit der Rekultivierung begonnen werden konnte. Die Bevölkerung ertrug die fast unerträglichen Staub-, Lärm- und Schmutzbelastungen mit bewunderungswürdiger Geduld, denn mit jedem Tag, an dem aufgefüllt werden konnte, kam man dem Ende immer einen großen Schritt entgegen. Dennoch mussten die materiellen Einbußen, die die Anlieger durch Schmutz an ihren Häusern und Anwesen erlitten hatten, abgegolten werden.
Der Ortschaftsrat und Verwaltungsausschuss beschlossen, den betroffenen Anliegern einen außerordentlichen Entschädigungsbeitrag zukommen zu lassen. Für rund 65 000 DM konnten somit die gröbsten Schäden an den betroffenen Anwesen behoben werden. Obwohl die Anlieger der Zufahrtsstraßen diese Auffüllaktion nicht so schnell vergessen werden, gehört sie schon der Vergangenheit an. Zwischenzeitlich wurde unter der hervorragenden Regie des Gartenamtes und der Baufirma Mayer & Co. ein neues Gelände geschaffen, das sowohl von seiner Konzeption wie auch Gestaltung in der größeren Umgebung seinesgleichen sucht. Mit einer Feinfühligkeit und Fingerspitzengefühl zauberte Herr Wohlschlager und sein Mitarbeiter, Herr Mack, eine Anlage, die man nicht mit einem flüchtigen Blick vollständig erfassen kann. Auch für geübte, technisch versierte Personen, die es verstehen, Pläne zu „lesen“, ist es schwer, diese Anlage nur nach den Plänen vollständig zu verstehen. Man muss in diese Anlage gehen, die einzelnen Formen und Modellierungen in sich aufnehmen und die verschiedenen Blickwinkel, die diese Anlage bietet, in sich aufnehmen. Erst dann wird man den Charakter und die Konzeption dieser Anlage gänzlich verstehen können.
Sicherlich ist eine Anlage dieser Art, wie Herr Wohlschlager in seinem nachfolgenden Beitrag beschreibt, nie ganz fertig. Dieses Ziel wollten wir zur Einweihung auch nie erreichen und würde unserer Auffassung von der Konzeption dieser Anlage auch völlig widersprächen. Wir wollen der Bevölkerung einen gutgestalteten „Rohling“, eine funktionelle Ausgangsbasis als Gelände anbieten, auf der letztlich zusammen mit der Bevölkerung in den nächsten Jahren dann der „Feinschliff“, die endgültige Gestaltung erfolgen soll.
Um aber einem eventuellen Missverständnis gleich vorzubeugen, wir wollen einen „Feinschliff‘ nicht mit der Anlage einer gepflegten englischen Parklandschaft gleichsetzen.
Das Gegenteil soll der Fall sein.
Wir wollen jenen Mut wieder aufbringen, der leider vielerorts gänzlich in Vergessenheit geraten ist, dass wir ein Stück Natur wieder mitten in unserer Ortschaft haben wollen. Eine Natur, die nicht von vornherein mit Akribie gestaltet und so lange geformt wird, bis sie nicht mehr den Namen verdient, dessen was sie darstellen soll. Wir wollen in vielen Bereichen dieser Anlage wieder den Wert des Unscheinbaren entdecken. Dann werden wir in den Brennessel- oder Kratzdistelfluren keinen wertlosen Verhau oder gar ungepflegte Wildnis sehen, sondern sie vielleicht wieder als Heimat von Pfauenauge, Admiral und Distelfalter erkennen. Wir werden vielleicht wieder einmal feststellen, dass Hirtentäschel, Rainfarn oder Taubnessel so schön sind wie die teuer gekauften Hollandblumen aus dem Gartencenter. Mit den Wildkräutern aber wollen wir ebenfalls wieder Eidechsen, Hummel oder Distelfink in unsere Ortschaft zurückholen. Der Seebereich, wo an vielen Stellen ein breiter Schilfgürtel aufwachsen soll, kann als Aufenthaltsort für viele Wassertiere und Insekten dienen.
Doch der Aibachgrund beinhaltet noch mehr als diese Bereiche. Mit seinen vielfältigen Spiel- und Sitzplätzen bietet er der Bevölkerung eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten für deren Freizeit an. Von sportlicher Betätigung, die vom Fußballspiel im Sommer bis zum Schlittenfahren und Schlittschuhlaufen im Winter reicht, kann er auch nur die vielen Ruheplätze in Anspruch nehmen, die zum geruhsamen Verweilen einladen.
Mitten im Ort gewissermaßen eine Insel, die ohne einen störenden Verkehr Erholung bietet. Darüber hinaus soll sie auch Begegnung mit der Natur sein. Eine Natur, die zwar durch die Gestaltung der Anlage künstlich geschaffen wurde, in deren Aufwuchs wir aber in manchen Bereichen nur behutsam eingreifen wollen.
Die Anlage wird nie dem Idealbild einer vollkommenen Fertigstellung gleichkommen. Wir wollen vielmehr eine Anlage, die mit uns, der Bürgerschaft, zusammen aufwächst und an deren Wachstum wir uns jährlich erfreuen können. Eine Anlage, die wir nicht allein gestalten und bewirtschaften wollen, sondern zusammen mit Ihnen. Es ist Ihre Anlage und deshalb freut es uns, dass viele von Ihnen von der Möglichkeit der angebotenen Patenschaften Gebrauch gemacht haben. Sei es, die Pflege des Seebereichs, der von einer Interessengemeinschaft übernommen wurde, oder die Aufwuchspflege einer Vielzahl von Obstbäumen, die im Herbst noch gepflanzt werden oder die Pflanzung einer Baumallee durch junge Ehepaare anlässlich ihrer Trauung in Darmsheim, die Bäume pflanzen werden, all dies sind gute Vorzeichen, dass die Bevölkerung unseren Gestaltungsgedanken mittragen wird.
Beschäftigen wir uns also mit der Anlage setzen wir uns mit ihr auseinander und identifizieren wir uns mit ihr, denn sie soll kein Fremdling in unserer Ortsmitte sein. Sie soll Kommunikations- und Treffpunkt für die gesamte Bevölkerung werden. Gehen wir also zurück zum Natürlichen, wie wir es auch mit dem Anschluss der Krautgartenquelle für die Seeanlage getan haben. Ein Anschluss an die verlegte Trinkwasserversorgung wäre sicher billiger gewesen, doch stellt uns das reichhaltige Wasseraufkommen der Krautgartenquelle ebenfalls gutes Wasser kostenlos und unbegrenzt für die Zukunft nunmehr zur Verfügung. So soll es auch bei der Gestaltung und Pflege dieser Anlage sein.
Machen wir es zukünftig weiterhin gemeinsam, denn die Erkenntnis, dass wir es für uns selber tun, ist ebenfalls die natürlichste von allen.
* Herr Georg Rothfelder war der Ortsvorsteher von Darmsheim
Der Planer des Aibachgrundes
Steinbrüche waren früher die unentbehrliche Lebensgrundlage für manche Orte und ganze Landstriche. Einigen Menschen verhalfen sie zu Wohlstand und vielen wenigstens zu einem hart verdienten täglichen Brot. Manche haben bei der harten und staubigen Arbeit freilich auch immer schon ihre Gesundheit eingebüßt. Die Arbeit mit dem Stein hat also zu jeder Zeit Segen und Fluch gleichzeitig bewirkt.
Jüngst hat sich die Zahl ihrer Gegner auf das Vielfache vermehrt, die Gegnerschaft ist erbitterter geworden. Zur Belastung der in Steinbruchnähe wohnenden Menschen durch Staub, Erschütterungen, Krach und Straßenverkehr, kam immer eine Veränderung des Landschaftsbildes, die zumeist als nachteilig angesehen wird, was sie aber durchaus nicht in jedem Fall ist.
„Wunden in der Landschaft?“
Verhängnisvoll hat sich für eine objektive Beurteilung ehemaliger Steinbrüche das häufig sehr gedankenlos verbreitete Schlagwort von der „Wunde in der Landschaft“ ausgewirkt. Können sie doch in sehr vielen Fällen das Landschaftsbild bereichern, ja charakterisieren und fast immer bieten sie Tieren und Pflanzen, die aus unserer begradigten, planierten und flur„bereinigten“ Landschaft vertrieben wurden, ein letztes Asyl. Dem geologisch interessierten Fachmann wie auch Laien, bieten Sie fesselnde Einblicke in die Erdgeschichte. Eher sind sie somit als Blickfang, rettende Insel und Fenster zu werten. Der Aibachgrund, so wie er sich jetzt darstellt, wird diese Ansicht bestätigen können.
Der Ort Darmsheim war vor nicht allzulanger Zeit von vier Steinbrüchen umkränzt. Die Genugtuung darüber, sie zu besitzen, wich einer Ablehnung. Es ist nicht leicht, zwischen Steinbrüchen zu leben. Die Erleichterung war daher groß, als neben zwei kleineren am Rand auch der große, in der Ortsmitte gelegene Bruch stillgelegt wurde. Das durch ihn entstandene Gigantenloch stellte die Planenden und diejenigen, die über die folgenden Maßnahmen zu befinden hatten, vor schwierige Entscheidungen. Sollte die Erinnerung an die überstandenen Belästigungen getilgt und das früher vorhandene Landschaftsbild nach einer Totalauffüllung wiederhergestellt werden?
Neugestaltung als Chance
Oder sollte die Neugestaltung als Chance für die Schaffung ganz neuer Anblicke und Nutzungen betrachtet werden? Die Politiker des Orts und der Stadt haben sich für letztere Lösung entschieden. Es konnte Neues entstehen und – wie zu hoffen war – Besseres.
Welche Gedanken standen als Programm vor der Planung, wem soll der neue Aibachgrund dienen, was soll er bieten? Seine Lage, nahe der Ortsmitte, schließt eine Nichtnutzung fast aus. Er sollte also sowohl von möglichst vielen Stellen her erreicht, als auch in verschiedenen Richtungen durchschritten werden können. Die Wege sollten für Eilige zügig, für Verweilende aber einladend und abwechslungsreich angelegt sein. Die künstliche neue Landschaft soll sich spannungsvoll, perspektivenreich, aber dennoch geordnet darbieten.
Gewisse Attraktionen, um möglichst vielen Interessen zu dienen, müssen geschaffen werden. Teich, Bäume, Blumen, Bach, Spielplatz, Bolzplatz, Sitzbänke, ein Podium für Musik und an anderes für das Sonnwendfeuer tragen dazu bei. Den Tieren müssen Rechte eingeräumt werden, Molche und Wechselkröten, die unter widrigsten Umständen Steinbruchbetrieb wie auch Auffüllung überlebt haben, warten auf eine endgültige Sicherung ihres Lebensraumes, andere könnten hier einen neuen finden. Vielleicht quaken bald wieder Laub- und Grasfrösche im Teich, Igel finden ein Jagd- und Lebensgebiet und Fledermäuse, Falken und Bachstelzen nehmen von der Wand Besitz. Im Teich werden Seerosen und Blumenbinse blühen, am Bachlauf Mädesüß und Schwertlilie, Krokus auf den Wiesenhängen. AJI diese Tiere und Pflanzen sollen auch – und werden das sicher tun – die an ihnen interessierten Kinder und Erwachsenen erfreuen.
So ergänzt eines das andere. Wer dann immer noch Wünsche für seine Freizeit unerfüllt sieht, vielleicht kann auch ihm gedient sein mit Musik, Tanz, Spiel und mit sportlicher Winterbetätigung auf den verschneiten Hängen und dem Eis des Teiches. Freilich, jeglicher Sport und sämtliche Unterhaltung kann auch hier nicht betrieben werden. Man wird weder das Bootfahren und Surfen auf dem Weiher, noch Motorenkrach im ganzen Gelände ermöglichen und ertragen können. Was wichtig erscheint ist, eine innige persönliche Bindung durch persönliche Verantwortung und daraus entspringende eigene Freude zu bewirken. Mit diesem Hintergedanken wurden Patenschaften angeregt und geschlossen. Möglichst viele Bürger sollen das Gefühl haben: Das ist unser Aibachgrund, unser Garten – wir wachen über ihn und halten ihn in Ordnung.
Die Bäume im Aibachgrund *
Nun fehlt vielleicht noch ein weiteres Tüpfel auf ein i: Der gesamte Garten im ehemaligen Steinbruch ist künstlich, ob das Ergebnis der Arbeit auch künstlerisch sei, kann offen bleiben.
Jedenfalls aber könnte eine Anreicherung mit passenden Kunstobjekten an passenden Stellen noch eine enorme Steigerung des Erlebniswertes bewirken. Darüber wird gewiss noch nachzudenken sein. Der Aibachgrund ist, wenngleich seine Fertigstellung gefeiert wird, noch lange nicht „fertig“. Auch die Bäume müssen ja erst noch zu solchen heranwachsen. Ein Garten ist nicht „fertig“, mit seiner Fertigstellung, er ist nie fertig.
Bäume – zu ihnen noch ein paar Anmerkungen. Manche Menschen haben etwas gegen Fremdlinge, Exoten, wie sie auch sagen. Nun hat aber jede Pflanze, zumal in unseren Breiten, einmal als Fremdling angefangen. Noch vor 12 000 Jahren waren außer verkrüppelten Birken und Erlen wenige Gehölze dort zu finden, wo die Menschen später Darmsheim gegründet haben. Nach weiteren 1000 Jahren stellten Haselsträucher den Hauptanteil der Vegetation. Fichten, Tannen, Linden, Eichen und Buchen ergänzten sie mit dem Fortschreiten der Zeit. Die Edelkastanie ist immer noch auf dem natürlichen Verbreitungsweg in unserer Richtung unterwegs. Und die Rosskastanie, „unser“ Prachtbaum der Biergärten, Alleen und Dorfbilder, sie gibt es auch erst ein paar Hundert Jahre hier. Als Fremdling wurde sie bewundert, aber heimisch gemacht. Sollen wir sie wieder verfemen und vertreiben? Doch kaum.
Aus diesem Bekenntnis zu neuen Gärten heraus, haben im Aibachgarten Götterbaum und Schnurbaum, Amberbaum, Zürgelbaum, Scheinzypresse und Coloradotanne eine Heimstätte gefunden. Dazu noch einige malerische Gartenformen von Buche, Birke und Fichte.
Natürlich sind, und das in großer Zahl, auch Haselbüsche, Weiden, Ebereschen und wilde Rosen vorhanden, und den Hauptschmuck wird einst die Blüte von Obstbäumen bieten. Auf sie alle darf nicht verzichtet werden. Sie gehören zu uns. Auch die Aibach-Linde und die Aibach-Eiche haben einen Platz. Sie nehmen sogar einen Ehrenplatz ein, einen Fürstensitz, jede für sich.
Die jungen Darmsheimer werden erleben, was die älteren unter uns sich nur in ihrer Vorstellung ausmalen können: den Aibachgrund mit schönen heranwachsenden Bäumen. Und ihre Kinder wiederum, oder vielleicht auch erst die Enkel, werden sich am Park erfreuen. Mögen die Bäume in aller Zukunft die gute Luft um sich haben, die zum jährlichen Ergrünen und Grünbleiben nötig ist. Dann wird auch den Menschen das beglückte Atmen gewährleistet sein.
Josef Wohlschlager
Leiter des Gartenamtes Sindelfingen
* Die Bäume und ihre Standorte sind auf einer Tafel im Aibachgrund beschrieben