Spaziergang durch die Böblinger Stadtgeschichte
Von Dr. Alfred Hinderer
Die Geschichte der Gäubahn
Im Jahr 1845 fuhr der erste Zug von Cannstatt nach Untertürkheim, damals noch mit einer englischen Lokomotive. Das Königreich Württemberg wünschte und initiierte eine eigene Entwicklung und Produktion. Im Jahr 1846 gründete daraufhin der Ingenieur Emil Kessler eine Fabrik für Dampflokomotiven, Triebwagen, Standseilbahnen, Straßenbahnen und Eisenbahnwagen in Cannstatt und verlegte sie 1913 nach Mettingen bei Esslingen.
Der Eisenbahnbau war ein enormer Vorteil nicht nur für das Reisen der Bevölkerung sondern auch eine wichtige Voraussetzung für die Industrialisierung. Die neuen Dampfmaschinen benötigten immense Mengen an Kohle, und die Industriebetriebe konnten ihre Rohstoffe damit leichter beziehen und ihre Erzeugnisse besser verschicken.
Die Begeisterung in der Bevölkerung für das neue Eisenbahn war enorm. Schon 1846 wurde die Bahnlinie nach Stuttgart verlängert, und 1850 waren die Nordbahn bis Bietigheim und Heilbronn und bald auch die Südbahn über Ulm bis Friedrichshafen fertig.
Nur Böblingen lag im Abseits. Seit 1864 setzte sich Otto Elben, der Herausgeber des „Schwäbischen Merkur“, intensiv für eine Eisenbahn nach Böblingen und weiter nach Eutingen und Freudenstadt ein, aber das Ständehaus und der Landtag in Stuttgart waren sich über die Linienführung einer Gäubahn uneins. Die direkte Trassenführung bedeutete ein kompliziertes Brückenbauwerk am Nordbahnhof, einen steilen Anstieg entlang des Talkessels, der eine zweite Lok erforderte, und am Hasenberg wegen des Knollenmergels einen stabilen Unterbau und mehrere Tunnels. Auch waren die Grundstückspreise an den Hängen in der Gründerzeit nach 1871 schon stark angestiegen.
Mit diesen Gegenargumenten setzte sich der zuständige Minister Freiherr von Varnbühler durch, und die Trasse wurde über Zuffenhausen und Leonberg nach Calw geführt. Dort verzweigte sie sich nach Süden in Richtung Freudenstadt zur Weiterführung durchs Kinzigtal nach Straßburg sowie nach Norden nach Pforzheim mit Anschluss nach Wildbad und ins Badische. Die neue Schwarzwaldbahn brachte dem Bäderbetrieb in Wildbad und den Hotels im Schwarzwald großen Aufschwung.
Aber die Gäubahn Befürworter geben nicht auf und konnten den Landtag schließlich von ihrer zweiten Streckenführung überzeugen. Und auch die badische Regierung mischte sich ein und machte Druck für eine direkte Anbindung von Stuttgart ohne Umweg nach Norden. 1874 wurde der Trassenbau beschlossen und 1879 der Betrieb aufgenommen.
1910 wurde die Ammertalbahn von Herrenberg nach Tübingen fertiggestellt. Im gleichen Jahr wurde auch die Strecke vom Böblinger Bahnhof nach Weil im Schönbuch begonnen und 1911 bis Dettenhausen weitergebaut mit der Option, sie bis Tübingen weiterzuführen. Die Personenbeförderung wurde 1966 aufgegeben und als Schönbuchbahn 1996 wieder aktiviert. Die Abzweigung vom Schönaicher First nach Schönaich wurde im Jahr 1922 gebaut und 1954 wieder eingestellt.
Die Trasse von Herrenberg nach Horb war schon 1932 zweigleisig ausgebaut worden, aber die Franzosen bauten nach 1945 das zweite Gleis ab und nahmen es als Reparationsleistung mit. Bis heute wurde es nicht wieder hergestellt und verlangsamt seitdem die Verbindung zum Bodensee und in die Schweiz.
Bahnhöfe
Lange Diskussionen gab es über die Lage des neuen Bahnhofs. Damals wurde üblicherweise die kürzeste Trasse gebaut, also die Bahnhöfe zwischen die Städte gelegt und das Gelände dazwischen für die Städteerweiterungen freigehalten. So sollte der gemeinsame Bahnhof für Böblingen und Sindelfingen am Goldberg liegen, etwa dort, wo heute das Parkhaus der S-Bahnstation steht. Da mischte sich die Zuckerfabrik am Unteren See in Böblingen ein. Auf der Hulb gab es nicht genug Torf für ihre Öfen. Deshalb musste die Heizung auf Steinkohle umgestellt werden und diese mit Ochsenkarren von Stuttgart heraufgefahren werden. Eine nahe Eisenbahnanbindung war für sie also von größter Wichtigkeit, und die Zuckerfabrik war mit 60 festen und mehreren Hundert Saisonarbeitern ein großer Arbeitgeber. Sie wurde damit allerdings dennoch nicht rentabel. Nach einem Brand im Jahr 1906 wurde sie von der Stuttgarter Zuckerfabrik übernommen und 1908 geschlossen.
Der Bahnhof wurde also wegen der Zuckerfabrik näher an Böblingen herangebaut, und die Sindelfinger mussten wohl oder übel eine gute halbe Stunde zu Fuß laufen. Deshalb läuft die Sindelfinger Bahnhofstraße nicht auf den Sindelfinger Bahnhof zu sondern auf den Böblinger. Erst wurde eine Buslinie nach Böblingen eingerichtet. 1914 wurde dann die Bahnlinie nach Renningen gebaut, und Sindelfingen erhielt einen eigenen Bahnhof.
Das Ringstraßenprojekt
Das Gelände zwischen dem Bahnhof und der Stadt Böblingen war damals noch völlig unbebaut. Otto Elben plante nach Wiener Vorbild eine breite Ringstraße um den Schlossberg herum. Die heutige Stadtgrabenstraße und die Poststraße bilden einen solchen Ring, aber von der Großzügigkeit einer Bebauung wie in Wien ist nichts zu spüren. Immerhin wurden die neuen Straßen zwischen Stadt und Bahnhof in Rechteckform und mit ausreichender Breite angelegt. Die Post wurde vom Postplatz an die neue Bahnhofstraße verlegt, und ihr gegenüber entstand die Gaststätte Schönbuch mit einem großen Festsaal.
Mittlerweile hat sich das Viertel um den Bahnhof erneut völlig verändert. An der Bahnhofstraße stehen auf der linken Seite jetzt die riesigen Komplexe des Mercaden und der Sparkasse, während die rechte Seite noch auf eine Verbesserung wartet. Der Elbenplatz zwischen Bahnhofstraße und Unterem See wurde aufgewertet und die unschöne Fußgängerunterführung beseitigt.
Der Flughafen in Böblingen
Erster Militärflughafen
Schon vor dem 1. Weltkrieg hatten die Militärs die Bedeutung von Flugzeugen für den Luftkrieg entdeckt und 1912 in Döberitz eine kleine Fliegertruppe aufgebaut. Der Inspekteur der neuen Fliegertruppe beauftragte den württ. Fliegerhauptmann Herbert Holtzmann mit der Begutachtung des Hulbgeländes als zukünftigen Flugplatz. Da es im Mai 1915 lange trocken war, fiel nicht auf, dass das Gelände sumpfig und deshalb für einen Flugplatz eigentlich völlig ungeeignet war. Das merkte man erst nach dem Kauf (für 40 RPfg für den m²) und musste danach aufwändige Entwässerungsgräben anlegen.
Schon am 16. August waren die ersten Baracken aufgestellt. Der Flugplatz wurde eingeweiht und mit der Fliegerersatzabteilung 10 (Fea 10) belegt. Ab 1916 wurden dort über das Ende des Krieges hinaus bis zum Frühjahr 1920 Flugzeugführer ausgebildet. Am Kriegsende war die Garnison mit 3468 Mann belegt.
Dass die Böblinger Mädchen von den schmucken und galant auftretenden Flugzeugführern leicht zu beeindrucken waren und diese angesichts der besonderen Gefahren ein lockeres Leben führten, war nicht überraschend.
Eine Anekdote dazu: Als ein hier abgestürzter Flieger-Unteroffizier beerdigt wurde, hatte seine Böblinger Braut einen Kranz auf den Sarg gelegt mit der Schleifenaufschrift: „Als letzten Gruß gewidmet von Deiner lieben Braut Anny“. Als die aus Köln angereiste richtige Braut das sah, nahm sie den Kranz, warf ihn weg und legte ihren eigenen hin. Der Totengräber hob den im Schmutz liegenden Kranz auf und gab ihm einen neuen Platz. Das sah die Schwester des Toten und warf ihn wieder auf die Erde“. Solche Szenen sollen öfters vorgekommen sein.
Flughafen Stuttgart-Böblingen
Ab 1925 wurde aus dem ehemaligen Militärflughafen der Flughafen „Stuttgart-Böblingen“ und entwickelte sich zur Drehscheibe der zivilen Luftfahrt. Zuerst entstand eine Holzbaracke in Westernstil – Holzbauweise als Empfangsgebäude für die Fluggäste (es wird derzeit renoviert und ausgebaut). Bald wurde es zu klein, und 1928 wurde ein neues modernes Empfangsgebäude errichtet mit fünfstöckigem Tower, Empfangshalle, Abfertigungsschaltern und Gastronomiebetrieb, dazu neue Hangars und Werften.
Der Verkehrsflug florierte. Im Sommer 1925 gibt es bereits 4079 Passagiere bei 2271 Starts und Landungen, dazu Post- und Luftfracht. 1926 eröffnet die Deutsche Lufthansa ihre Linie Berlin – Halle – Erfurt – Böblingen – Zürich, und bald entwickelten sich Linien nach London, Moskau, Paris, Rom und Madrid.. Am 3. November 1929 machte das Luftschiff „Graf Zeppelin“ von Friedrichshafen aus seinen ersten Sonntagsbesuch und zog dazu 100.000 Menschen an. In den folgenden Jahren gab es weitere Flugtage mit Zeppelin Landungen, die immer Massen von Menschen anzogen.
Im alten Empfangsgebäude siedelten sich private Sport- und Fliegerschulen an, z.B. Hanns Klemm 1926 mit seiner eigenen Werksfliegerschule. Ernst Udet, Elly Beinhorn, Wolf Hirth, Hanns Klemm und Liesl Bach waren bei ihm zu Gast, und auch Heinz Rühmann landete hier. Heute sind die Straßennamen auf dem Flugfeld ein „who-is-who“ berühmter deutscher Pilotinnen und Luftfahrtpioniere.
Wo heute hinter der „Motorworld“ das Forum 1 steht, stand von 1931 bis Mitte 1935 das „Deutsche Luftfahrtmuseum“. Ausstellungsstücke waren der Albatros, die Jeannin-Taube, der Dreidecker des Roten Barons Manfred von Richthofen, eine Rumpler-Taube, französiche Bleriots und amerikanische Nieuports. 1935 wurden die Flugzeuge in die „Deutsche Luftfahrt-Ausstellung“ Sammlung nach Berlin am Lehrter Bahnhof (heute Hauptbahnhof Berlin-Mitte“) gebracht.
1934 wurde die Postflugdienstlinie eröffnet, die über Marseille und Barcelona nach Sevilla, auf die Kanarischen Inseln und schließlich an die Westafrikanische Küste nach Bathurst, damals in British-Gambia, führte. Dort wurde die Post auf das Schiff Westfalen gebracht und unterwegs von Katapultflugzeugen und Dornier-Wal Flugbooten zur brasilianischen Küste geflogen. Nach 160 Flügen endet am 23. April 1936 die Böblinger Ozean-Luftpostlinie und bald auch die Geschichte des Flughafens Stuttgart-Böblingen. 1937 wurde der Echterdinger Flughafen gebaut.
Fliegerhorst
1936 entstand hier der Fliegerhorst der neuen Luftwaffe, schon im Hinblick auf den schon geplanten Frankreichfeldzug. Die Fliegerhorstkasernen mit dem Torgebäude an der Eisenbahnunterführung wurden gebaut und das ganze Gelände samt der Straßenverbindung nach Sindelfingen abgesperrt.
Nachkriegszeit
Nach dem Kriegsende war auf dem Gelände erst ein großes Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene und Zivilpersonen (PWs) sowie ein Lager für heimatlos gewordene Ausländer (DPs). Danach übernahm die US Army das Flughafengelände. Sie füllten und planierten die Bombenkrater mit Schrott und Müll und richteten ein Reparaturwerk für ihre Panzer und andere Fahrzeuge ein. Nach dem Ende des Kalten Krieges gaben sie 1992 das Gelände an die Bundesrepublik Deutschland zurück. Die Fliegerhorstkasernen erhielten den Namen Wildermuth Kasernen und beherbergten erst die Bundeswehr und später das Deutsch-Französische Corps. Danach zog die Landespolizei ein. Das Flughafengelände kauften im Sommer 2002 die Städte Böblingen und Sindelfingen. Jedoch mussten zuerst Bombenblindgänger, Munition und viele andere Altlasten weggeräumt werden.
Seitdem entstand im Gemeinschaftsprojekt „Flugfeld Böblingen / Sindelfingen“ ein modernes Stadtviertel, das Wohnen, Arbeiten und Freizeitangebote vereint. In der Mitte entstand eine große Freizeitanlage mit einem langen See, den bald die „Harfenbrücke“ überspannen soll. Das ehemalige Empfangsgebäude wurde unter Denkmalschutz gestellt. Darin ist die „Motorworld“ eingezogen und das V8 Hotel, dessen Zimmer mit Automobilattributen ausgestattet sind. In die ehemaligen Flugzeughangars sind Auto-Tuning Firmen eingezogen, die Automobilfans aus dem ganzen Land und weit darüber hinaus anziehen. Der Indoor Freizeitpark Sensapolis ist schon länger auf dem Flugfeld angekommen, und Porsche plant eine große Niederlassung. Ein weiteres Großprojekt ist ein neues Großklinikum im westlichen Bereich, das die bestehenden Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen ersetzen soll.
Industrieansiedlungen
Frühe Industriebetriebe
1811 Chemische Fabrik Bonz & Söhne, 1878 neue Fabrik mit Dampfbetrieb
1829 Brauerei von Karl Gottfried Dinkelacker am Marktplatz, ab 1829 am Postplatz
Brauerei von Gottfried Gilg, gegründet am Marktplatz, später als Aktienbrauerei Zahn am Postplatz (mehr dazu im Kapitel Postplatz)
1834 Mechanische Wollspinnerei Felder zwischen dem oberem und unteren See
1857 Zuckerfabrik gegr. von Dörtenbach und Zweygart am Unteren See, 1908 stillgelegt
1857 Maschinenfabrik Wagner an der Stuttgarter Straße, 1986 abgebrochen
Schon vor dem Gäubahnbau stand am Unteren See, wo heute das Landratsamt steht, die Zuckerfabrik
Der Eisenbahnbau beflügelte jetzt die Ansiedlung von weiteren namhaften Industriebetrieben, vor allem im Bereich der Bahnhof-, Wilhelm- und Karlstraße
Industrialisierung ab Mitte des 19. Jhs.
1882 Möbelfabrik Renz, in Stuttgart gegründet und 1914 nach Böblingen verlegt
1884 Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier und Cie in Cannstatt gegründet, 1886 nach Böblingen verlegt und später in Hautanawerke umbenannt; 1981 abgebrochen
1888 Strick- und Wirkwarenfabrik Lenz an der Talstraße, später von Georgii genutzt
1915 Daimler Motorenfabrik in Sindelfingen
1916 Contessa – Nettel Kamerawerke (später Klemmwerke und nach dem Krieg IBM)
Treiber für die Verlagerung bzw. Neuansiedlung der Industriebetriebe waren die sehr niedrigen Löhne. Sie waren am Ende des 19. Jh. 1/4 niedriger als in Stuttgart und die niedrigsten in Württemberg und das unter schwersten Arbeitsbedingungen. In der Zuckerfabrik dauerte 1857 der Arbeitstag von morgens 6 bis abends 7 Uhr mit einer einstündigen Mittagspause und zweimal 20 Minuten Pause, also netto mehr als 11 Stunden.
Vier Firmenbilder:
1. Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier und Cie, später Hautana Werke
Firmengründer war Ludwig Maier, ein Sohn des ersten Stuttgarter Rabbiners Joseph von Maier. 1878 trat Lyon Sussmann in die Firma ein. Er stammte aus Tauberbischofsheim, wo eine der ältesten und bedeutendsten jüdischen Gemeinden bestand. 1878 wurde er zuerst Teilhaber und dann Leiter der Firma. Nach dem Bau der Gäubahn verlegte er im Jahr 1888 die Firma von Stuttgart nach Böblingen und baute im neuen Industriegebiet entlang der Wilhelm- und Karlstraße ein großes und architektonisch ganz modernes Werk auf, das bald und für lange Jahre der größte Arbeitgeber Böblingens wurde.
Die Entwicklung des Hautana Büstenhalters ist mit den Namen von zwei Firmen verbunden: der Korsettfabrik Sigmund Lindauer in Cannstatt und der Mechanischen Trikotweberei Ludwig Maier und Cie in Böblingen. Im Jahr 2012 fand im Stadtmuseum in Bad Cannstatt eine große Ausstellung über die Geschichte und Produkte der Korsettfabrik Sigmund Lindauer statt. Die Begleitbroschüre zur Ausstellung kann man im Museum erwerben.
Die Firma Sigmund Lindauer betrieb ihre Fabrikationsräume in der Hallstraße 25 in der Cannstatter Vorstadt und hatte mit der Marke „Prima Donna“ von 1890 weltweiten Erfolg. Der Bruder Julius Lindauer wanderte nach Paris aus und gründete dort ebenfalls eine Korsettfabrik. Nach der Firmenüberlieferung schrieb Julius Lindauer seinem Bruder Sigmund, er soll doch Büstenhalter fabrizieren, „die direkt auf der Haut zu tragen sind“. Das entsprach der Nachfrage in der neuen Reformbewegung. Ergebnis war der „Hautana“, der das Synonym für alle Büstenhalter und ein großer Erfolg wurde. Produziert wurde der „Hautana Büstenhalter“ in Böblingen von der Firma Ludwig Maier und Co., weil Sigmund Lindauer in Cannstatt nicht die richtige Maschinenausstattung hatte. Die Firma Maier ließ den Namen „Hautana“ 1913 beim kaiserlichen Patentamt in Berlin als Marke schützen und gab auch der Firma diesen Namen.
Schicksal im Dritten Reich
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurden beide Firmen „arisiert“.
Bei der Firma Sigmund Lindauer konnte der „arische“ Schwiegersohn Wilhelm Meyer-Ilschen die Firma übernehmen. Sigmund Lindauer schied als Teilhaber ganz aus, und danach konnte Wilhelm Meyer-Ilschen den Betrieb „rein arischen“ Betrieb einstufen lassen und konnte unter dem neuen Firmennamen Wilhelm Meyer-Ilschen den Krieg mit Wehrmachtsaufträgen überdauern.
Sigmund Lindauer musste auch seine Villa an der Taubenheimer Straße weit unter Wert verkaufen. Er starb 1935, und so blieb ihm als Juden die Verfolgung erspart. Seine Witwe Rosa Lindauer erlitt dagegen ein schweres Schicksal. Im Oktober 1941 wurde sie in das „jüdische Altersheim“ Schloss Weißenstein im Kreis Göppingen umgesiedelt und von dort am 22. August 1942 über das Sammellager auf dem Killesberg nach Theresienstadt deportiert. Dort starb sie wenige Tage nach der Ankunft. Erst nach dem Krieg erfuhren die Angehörigen von ihrem Schicksal.
Die Marke „Prima Donna“ wurde nach dem Krieg an die belgische Firma van de Velde verkauft. Sie besteht erfolgreich am Markt und steht für hochwertige Produkte.
Lyon Sussmann, Leiter der Ludwig Maier & Cie, wurde 1912 Ehrenbürger der Stadt Böblingen. Er war im 1. Weltkrieg ein großer Mäzen und Wohltäter, der Patenschaften für Kriegswaisen übernahm und nach dem Weltkrieg einen Kindergarten stiftete.
In der NS Zeit wurden auch die Hautana Werke 1938 „arisiert“ und von einem SA Mann geleitet. Als Lyon Sussmann 1938 starb, war keiner der Böblinger Stadtoberen bei der Beerdigung ihres Ehrenbürgers auf dem Stuttgarter Pragfriedhof offiziell dabei. Nur Bürgermeister Georg Kraut nahm in Zivil und im Hintergrund teil. Zwei Jahre später wurde er aus dem Amt verdrängt. Erna Sussmann und ihren beiden Kindern gelang 1938 in letzter Minute die Emigration nach England.
Die Hautana Werksanlagen fielen 1981 der Abrissbirne zum Opfer. Heute erinnern an den Ehrenbürger lediglich die „Lyon-Sussmann-Straße“ und die „Hautana Passage“, die in einem tristen Hinterhof mit einem Parkhaus führt. Die ganze westliche, mittlerweile unattraktiv gewordene Häuserzeile an der Bahnhofstraße harrt einer Umgestaltung zum Besseren.
2. Chemische Werke Bonz und Sohn
An ihrem Anfang stand das Laboratorium des Pietisten Johann Jonathan Metzger im alten Böblinger Pfarrhaus in der Pfarrgasse. Das Haus wurde in der Bombennacht vom 7./8. Oktober 1943 zerstört. Heute steht dort der neue Anbau des Bauernkriegsmuseums in der Zehntscheuer. Der Apotheker Josef Gottlieb Bonz stieg 1815 als technischer und wissenschaftlicher Leiter in das Laboratorium ein und leitete es ab 1818 gemeinsam mit dem Kaufmann Klaiber. 1847 übergab Klaiber seinen Firmenanteil an den Apotheker Christian Bonz, den Sohn von Joseph Gottlieb Bonz. Seitdem hieß das Unternehmen „Bonz und Sohn“. Es wurde von seinen Söhnen weitergeführt und beschäftigte Mitte des 19. Jahrhunderts 45 Chemiker und Laboranten. 1878 wurde ein neues Werk an der heutigen Dr.-Richard-Bonz- Straße gegründet, das sich auf die Destillation von Salz- und Schwefelsäure spezialisierte, dazu die Herstellung von Quecksilbersalzen und Antimonpräparaten. Kaliumchlorat für Zündhölzer und zunehmend Produkte für die Medizin. Die Rohstoffe holte Bonz selbst mit Pferdefuhrwerken sogar von Taschkent und Russland her. Mitte des 19. Jahrhunderts stellte das Unternehmen das Narkosemittel Chloroform her, das im Krieg von 1870 große Bedeutung hatte. Ab 1894 entwickelt Bonz zusammen mit dem Tübinger Chirurgen Prof. Bruns den Narkoseäther. Das Unternehmen wuchs stark und exportierte in alle Welt.
Bonz gelang es nicht, die Firma mit Beteiligungen von Partnern expandieren zu lassen. Nach dem Tod des letzten Geschäftsführers Dr. Felix Schoder wurde das Unternehmen mehrfach verkauft, u.a. an die Firma ASID der Behringwerke, später Farbwerke Hoechst, und zuletzt als ASID-Bonz GmbH an die Medi-Globe Gruppe in den USA. Der Firmensitz der „ASID-Bonz GmbH – Medizintechnik an A-Z“, ist heute in Herrenberg. Sie ist weiterhin am Markt erfolgreich und stellt Produkte für die Anästesie, Urologie und Chirurgie sowie für den Stationsbedarf in Krankenhäusern wie den Medikamentendispenser her.
An dieses alteingesessene Unternehmen erinnert heute in Böblingen nur noch der Straßenname. Auf dem einstigen Firmengelände entlang der Herrenberger Straße entstand eine Wohnanlage mit angeschlossenem Pflegeheim. Das Gelände dahinter ist eher eine unstrukturierte Industriebrache und wartet auf eine Sanierung.
3. Klemm Flugzeugwerke – ein Flugzeug für jedermann
Seine Vorfahren stammten wie der berühmte Ernst Heinkel aus dem Remstal. Er wurde 1885 in Stuttgart geboren, studierte das Bauingenieurwesen an der TH und baute danach Brücken und auch die Bodenseeuferstraße in Friedrichshafen. Dort entdeckte er seine Vorliebe für den Flugzeugbau und wurde mitten im 1. Weltkrieg Leiter des Versuchsbaus bei den Zeppelinwerken, Abteilung Dornier in Friedrichshafen.
Dass die Zukunft in der Luft liegt, hatte Dr. Hanns Klemm (1885 – 1961) schon früh erkannt. Nach seinem Wechsel zur Daimler Motorengesellschaft kam er als Chefkonstrukteur des Flugzeugbaus nach Sindelfingen. Das Ziel von Klemm war klar definiert: Er wollte ein Volksflugzeug in Leichtbauweise, ein in Anschaffung, Betrieb und Unterhalt kostengünstiges Flugzeug in Serie fertigen. Nach seiner Trennung von Daimler baute Klemm seine Firma Leichtflugzeugbau Klemm in Böblingen auf. Er hatte mit seinen Flugzeugen Erfolg beim Überlandflug nach Bensheim 1924, dem Deutschen Rundflug 1925, dem Alpenflug nach Budapest 1926 und dem Aufsehen erregenden Weltflug des Freiherrn Friedrich Karl von König-Warthausen 1928/29.
Der neue Flughafen bot ideale Startbedingungen für Klemm und sein Unternehmen, das bald zum größten Industriebetrieb in Böblingen wurde. Im Jahr 1939 beschäftigte er ca. 800 Mitarbeiter. Die schwachmotorigen, Kraftstoff sparenden und umweltfreundlichen Flugzeuge aus der Produktion von Klemm zählen heute noch zu den bedeutenden Entwicklungen im Flugzeugbau. Mit der Klemm L25 flog Wolf Hirth von Schottland nach Island und über die Alpen von Paris nach Mailand, und Ernst Udet flog mit einem Klemm Flugzeug über Grönland. Mit der Klemm L 26 V flog Elly Beinhorn 1932 auf ihrem siebenmonatigen Weltflug.
Da die Fliegerei den Machthabern im 3. Reich wichtig war, hätte er eigentlich eine große Unternehmenskarriere machen können. Aber seine offene Abneigung gegenüber dem Nationalsozialismus hatte seinen Rücktritt als Geschäftsführer seines Werkes, den Austritt aus der NSDAP (1943) und seine Verhaftung durch die Gestapo zur Folge. Nach dem Krieg wurde sein Werk von den Alliierten demontiert.
1955 wurde Dr. Hanns Klemm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Böblingen verliehen, und 1960 erhielt er das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 1961 starb er an seinem Alterssitz in Fischbach in Oberbayern.
4. Brauerei Dinkelaker
Sie wurde 1823 vom Biersieder und Stadtrat Karl Gottfried Dinkelacker am Marktplatz gegründet und ist der älteste Familienbetrieb Böblingens. Die beginnende Industrialisierung mit den vielen neuen Arbeitskräften brachte ihm viele Kunden, und die großen Seen lieferten im Winter das Eis, das zum Brauen nötig war. Damals konnte Bier nur im Winter gebraut werden.
Die ersten 50 Jahre nach der Gründung hieß sie noch Dinkelacker („mit c“). Nachdem der Gründer die Brauerei an seine beiden Söhne Carl Christian und Wilhelm übergeben hatte, ließ sich Carl Christian seinen Anteil auszahlen und gründete 1888 an der Tübinger Straße in Stuttgart seine eigene Brauerei mit dem Namen „Carl Dinkelacker“. Der Böblinger Bruder Wilhelm strich das „c“ in seinem Namen, um Verwechslungen zu vermeiden. Beide Brüder hatten aber immer ein gutes Verhältnis miteinander. 1905 wurde der Name „Schönbuch Bräu“ eingeführt.
Der erste „Gasthof Schönbuch“ stand in der Bahnhofstraße gegenüber der Post. Er hatte einen großen und prächtigen Saal, in dem Hochzeiten und andere bedeutende Festlichkeiten begangen wurden. Das Gebäude stand noch bis vor ein paar Jahren dort, inzwischen mit anderer Nutzung. Dann wurde es abgerissen, um für das Kaufhaus Mercaden Platz zu machen. Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, wie es dort früher einmal ausgesehen hat.
Elbenplatz
Er hat seinen Namen von Dr. Otto Elben. Dieser war Redakteur des „Schwäbischen Merkurs“, den sein Vater in Stuttgart gegründet hatte. Von 1868 bis 1882 war er Abgeordneter der konservativen Deutsche Partei im Landtag und von 1871 bis 1876 ihr Abgeordneter im Deutschen Reichstag. Weil er die Bedeutung der Eisenbahn für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes erkannte, setzte er sich vehement für die Gäubahnlinie von Stuttgart nach Böblingen – Eutingen – Freudenstadt ein. Die Böblinger dankten es ihm. Sie verliehen ihm 1874 die Ehrenbürgerwürde und setzten ihm 1905, sechs Jahre nach seinem Tod, ein Denkmal am nach ihm benanten Elbenplatz. Dieses stand dem Verkehr im Wege und wurde 1956 abgeräumt. Seit 1979 gibt es einen neuen Gedenkstein in den Anlagen am Unteren See. Otto Elben war ab 1866 stellvertretender und ab 1868 bis 1892 Präsident des Schwäbischen Sängerbundes. Der „Chorverband Otto Elben e.V.“ erinnert an ihn.
Stadtgründung von Böblingen durch die Pfalzgrafen von Tübingen
Die Gründung der Städte Böblingen, Sindelfingen und Herrenberg gehen alle auf die Pfalzgrafen von Tübingen zurück. Ihre Wurzel ist Hugo V. (1125 – 1152), der ab 1146 Pfalzgraf von Tübingen genannt wird für Dienste, die er dem Stauferkönig Konrad III. geleistet hat.
Sein erster Sohn, Pfalzgraf Hugo I., begründete die neue Linie Monfort. Sein zweiter Sohn, Pfalzgraf Hugo II. heiratete die Erbtochter Elisabeth von Bregenz und erbte die Stadt Bregenz sowie weiteren Besitz in Churrätien, Tettnang und Sigmaringen.
Dessen Sohn Rudolf I. gründete um 1183 das Kloster Bebenhausen. Er heiratete Mechthild, die Gräfin von Gleiberg und Erbin von Gießen. Hier trennte sich die Linie in eine Böblinger und in eine Herrenberger / Sindelfinger Linie.
Ihr erster Sohn, Rudolf II. (1224 – 1247), erhielt nach des Vaters Tod die Herrschaft über die Städte Horb, Herrenberg und Tübingen. Sein Sohn hieß in jungen Jahren Rudolf III. von Tübingen. Er begründete als späterer Rudolf I. – „der Scheerer“ genannt -, die Herrenberger Linie und gründete 1263 die Stadt Sindelfingen. Er starb 1277. Die Sindelfinger Fahne hat die württembergischen Hirschgeweihe und das Kreuz des Chorherrenstifts.
Der zweite Sohn von Rudolf I., Wilhelm, begründete die Linie Asperg – Gießen – Böblingen. Sein Sohn, Rudolf IV., Graf von Böblingen, „der Böblinger“ genannt, gründete die Stadt Böblingen. Sie hat – wie Tübingen und Herrenberg – die dreilatzige Gerichtsfahne. Das Jahr der Stadtgründung ist nicht mit einer Urkunde belegt. Es gibt nur urkundliche Erwähnungen eines „comes palatinus dictus de beblingen“ und eine weitere von „civibus in beblingen“ aus dem Jahr 1272. Der Stadtgründer starb 1271.
Man hat das Jahr der Stadtgründung auf das Jahr 1250 festgelegt. Böblingen ist demnach etwas älter als Sindelfingen.
Die Stadt Böblingen schmiegt sich in einem halben Oval um den Schlossberg, mit der Marktstraße als Längsachse und rechtwinklig dazu verlaufenden Quergassen. Der Name Böblingen wird mit einem Adligen „Bobilo“ in Verbindung gebracht. Die Endung -ingen geht auf das Alemannische zurück.
Von den beiden Vettern gibt es keine Bilder, auch keine Beschreibungen oder Nachweise, wann genau sie starben und wo sie begraben liegen. Man weiß aber, dass sie untereinander in ständiger Zwietracht lebten. Ludwig Schmid, der das Standardwerk über die Pfalzgrafen von Tübingen anfertigte, schrieb über ihn: „Gleich einem Raubritter von der geringsten Art raubte er mit seinen Gesellen in den Höfen des (Sindelfinger) Stifts und brannte die Gebäude nieder“. Er brannte die sog. Sedelhöfe des Stifts ab und raubte die Fische aus den Fischteichen. Deshalb war es dem „Scherer“, so wichtig, dass um seine neu gegründete Stadt Sindelfingen zum Schutz gegen den Böblinger Vetter schnellstens eine Mauer gebaut wurde.
Die Herrschaft der Tübinger Pfalzgrafen verarmte im 14. Jahrhundert durch Misswirtschaft und übertriebene Stiftungen an die Klöster. Tübingen und der Schönbuch, Herrenberg und Sindelfingen wurden an den Grafen Eberhard II. von Württemberg, den Greiner verkauft. Böblingen wurde Amts- und später Oberamtsstadt. Sindelfingen versuchte vergeblich, sich mit Geldzahlungen davon freizukaufen und kreisfrei zu werden.
Witwensitze im Schlossberg
Mechthild von der Pfalz
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts regierte in der Uracher Hälfte des von 1442-1482 geteilten Wirttembergs Graf Ludwig I. Seiner Frau Mechthild von der Pfalz wurden für die erhebliche Mitgift ihrer Eltern und die Morgengabe ihres Ehemannes die Städte Böblingen, Sindelfingen und viele andere Dörfer im Umkreis als Widdum verpfändet. Als ihr Ehemann Ludwig I. im Jahr 1450 stirbt, nimmt Mechthild ihren Witwensitz auf dem Böblinger Schloss. Als sie zwei Jahre später den Erzherzog Albrecht VI. von Österreich heiratet, verließ sie das Schloss wieder.
Durch die Heirat Mechthilds mit dem Habsburger Erzherzog Albrecht VI. von Österreich wurden ihre Kinder Ludwig II. und Eberhard V. Neffen von Kaiser Friedrich III. des HRR. Der ältere Sohn Ludwig II. starb früh, und so wurde der jüngere Bruder Eberhard V. „im Bart“ Graf von Württemberg und dann sein erster Herzog.
Barbara Gonzaga von Mantua
Die nächste prominente Bewohnerin des Böblinger Schlosses war Herzogin Barbara Gonzaga von Mantua, die 1474 in Urach in einer glanzvollen Hochzeit in Urach Ehefrau von Graf Eberhard V. später Herzog Eberhard I. „im Bart“ wurde. Er starb schon mit 51 Jahren an der roten Ruhr und wurde im Stift St. Peter auf seinem geliebten Schloss Einsiedel (mit dem Weißdorn) beigesetzt. Später wurde er in die Stiftskirche in Tübingen überführt. Seine Reiterstatue mit gezogenem Schwert steht im Hof des Alten Schlosses in Stuttgart.
Eberhard V. ist der Gründer der Universität Tübingen. Sein Wahlspruch war „attempto“ – ich wag’s“ steht an der Alten Aula der Eberhard-Karl-Universität in Tübingen.
Barbara Gonzaga nahm im Böblinger Schloss ihren Witwensitz und schuf 1501 einen wunderbaren Garten am Oberen See. Die Herrschaftsgartenstraße erinnert daran. Man sagt, sie habe sich in Böblingen sehr wohlgefühlt. Andere sagen genau das Gegenteil. Vielleicht waren es der Blick auf die Böblinger Seen und die Berge der Schwäbischen Alb, die sie an ihre ferne Heimat erinnerten. Von ihrem Hofgut, dem Hasenhof bei Waldenbuch, muss sie sehr gut verköstigt worden sein. Die Erinnerungen vermerken, dass ihr Leibesumfang sehr beachtliche Maße angenommen habe und sie geführt werden musste. Nach ihrem Tod 1503 wurde sie, ihrem Wunsch entsprechend, in der Klosterkirche der Dominikanerinnen in Kirchheim unter Teck beigesetzt. Eine Grabplatte wurde ihr von Herzog Eberhard II. verwehrt, und ihre Gebeine sind nach der Aufhebung und dem Abbruch der Klosterkirche verloren gegangen.
Von beiden berühmten Bewohnerinnen gibt es im Chor der Tübinger Stiftskirche schöne Glasfenster, und an sie erinnern auch zwei Stelen auf dem Böblinger Marktplatz.
Wilhelm Ganzhorn und Wilhelm Maybach
Ein dritter prominenter Bewohner des Böblinger Schlosses war Wilhelm Ganzhorn. Er wurde hier im Jahr 1818 als Sohn des Schlossverwalters geboren. Und noch ein weiterer Prominenter ist mit Böblingen verbunden: Wilhelm Maybach. Er wurde 1846 zwar in Heilbronn geboren, aber seine Mutter war die Böblinger Schuhmachertochter Louise Barbara Dannwolf. Sie starb früh, und nur zwei Jahre später nahm sich sein Vater, der Schreinermeister Christian Carl Maybach, im See das Leben.
Wilhelm kam mit 13 Jahren als Waise in die Werner’schen Anstalten in Reutlingen und wurde dort als technischer Zeichner und Konstrukteur ausgebildet. Daimler war Leiter der Maschinenfabrik des Bruderhauses und erhielt Maybach als Assistenten zugeteilt. Er wurde dessen Förderer, und als Daimler die Daimler-Motoren-Gesellschaft in Cannstatt gründete, wurde Maybach sein technischer Direktor und hatte damit maßgeblichen Anteil an der weiteren Automobilentwicklung.
Bauernkrieg
Im 16.Jahrhundert hinterließ der Bauernkrieg seine Spuren. Am 12. Mai 1525 fand im Gebiet zwischen dem Sindelfinger Goldberg und dem Gebiet östlich des Böblinger Galgenbergs eine blutige Schlacht statt. Führer des Schwäbischen Bundes war Georg III., Truchsess von Waldburg, danach „der Bauernjörg“ genannt. Führer des Württemberger Bauernhaufens waren Matern Feuerbacher und Hans Wunderer. Die Bauern wurden trotz mengenmäßiger Überzahl auf Grund ihrer fehlenden Organisation und primitiven Ausrüstung vernichtend geschlagen. Mehr als 3000 Bauern verloren in der Schlacht ihr Leben, während die Verluste auf Seiten des Schwäbischen Bundes mit ihrer überlegenen Ausrüstung mit Kanonen und Reitertruppen sehr gering waren. Im Deutschen Bauernkriegsmuseum in der Zehntscheuer erinnert eine sehr sehenswerte Dauerausstellung daran.
Böblingen als Kurstadt
Kuren konnte man in Böblingen nicht erst seit dem Bau des Thermalbads. Im Jahr 1902 öffnete das Böblinger Sanatorium am Herdweg seine Pforten. Später übernahm es der Stuttgarter Lungenfacharzt Dr. Carlos Krämmer. Nahe dabei stand das mondäne Kurhaus – Waldburg, das von Julius Crombach betrieben wurde sowie das Kurhaus Hubertus. Auch ein Luftbad für die hüllenlosen „Lichtfreunde“ gab es. In den 1930er Jahren warb Böblingen mit dem Poststempel „Kurort und Internationaler Flughafen“. Aber ein mondäner Badeort wurde Böblingen nie. Das Lungensanatorium wurde noch bis 1970 von der LVA betrieben. Dann wurde es abgerissen und machte der Waldorfschule Platz.
Tannenbergsiedlung
Am Hügel oberhalb des Murkenbachs wurde nach dem Ersten Weltkrieg eine Villengegend geplant. Im Gewann Leibstückle, wo schon Herzog Carl Eugen 1840 an die 4000 Obstbäume hatte pflanzen lassen, weil es dort wärmer war als in der Umgebung, sollte eine Ferienkolonie für betuchte Leute entstehen. Sie erhielt den Namen Tannenberg, nicht weil dort viele Tannen wuchsen, sondern nach Paul von Hindenburgs Sieg in der „Schlacht von Tannenberg“ in Ostpreußen. Dabei hatte diese gar nicht dort stattgefunden sondern bei Allenstein. Mit dem Namen Tannenbergschlacht wollte er das alte Trauma der Deutschordensritter ausmerzen, die dort 1410 gegen die Litauisch-Polnische Union verloren hatten. Passend zum Siedungsnamen gab es die Paul Hindenburg Straße, die Wilhelm-Ludendorff-Straße und die August-von-Mackensenstraße, alles Generäle in dieser Schlacht.
Die Nachfrage nach Bauplätzen fiel indes aus, und die Idee einer Villengegend entpuppte sich bald als Fehlschuss. 1921 /22 ließ sich immerhin der Künstler Fritz Steisslinger auf der Kuppe des Tannenbergs ein Atelierhaus erbauen. Seine Schwiegertochter Frederica Steisslinger bewohnt und pflegt das Haus und darin die Sammlung seiner Bilder.
Die Stadt Böblingen entwickelte dann den Plan einer normalen Siedlung für Familien, die sich aus ihren Gärten selbst versorgen sollten. Aus der Hindenburg-Straße wurde die Tannenbergstraße, aus der Ludendorff-Straße die Falkenstraße, und weitere Straßen mit Tier- und Vogelnamen kamen dazu. Nichts erinnert heute mehr an die einstmals geplante Villengegend.
Böblingen im Zweiten Weltkrieg
Beim großen Bombenangriff in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1943 wurde Böblingen, Altdorf, Holzgerlingen, Hildrizhausen und Nufringen von Bombern der Royal Air Force angegriffen. Das eigentliche Angriffsziel war in dieser Nacht Stuttgart gewesen, aber die Pfadfindermaschinen hatten, von Südwesten anfliegend, bei geschlossener Wolkendecke ihre Markierungen 20 Kilometer zu früh ausgelöst.
Zuerst wurden Minen- und Sprengbomben eingesetzt, um die Häuser zu zerstören und danach Brandbomben, um alles in eine riesige Feuerhölle zu verwandeln. Bei diesem Angriff ging die ganze südliche Innenstadt, die südliche Häuserzeile am Marktplatz mit dem Rathaus, die Stadtkirche und das Schloss zugrunde. Nur die nördliche Häuserzeile mit dem Vogtshaus überlebte den Feuersturm mit viel Glück. Aber 1979 wäre es fast abgebrannt, aber die Feuerwehr konnte es gerade noch retten. Als das Löschwasser die Decken und Wände durchweichte, fielen Putzstücke herunter und brachten darunter wundervolle Malereien zutage. So war der Brand auch ein Glücksfall, denn – wie in Sindelfingen – gab es damals Pläne, alle Häuser am Marktplatz abzureißen. Heute ist das ehemalige Vogtshaus ein wahres Schmuckstück und beherbergt das „Deutsche Fleischermuseum“. Die südliche Häuserzeile am Marktplatz wurde nicht wieder aufgebaut. Heute ist der Marktplatz meist menschenleer.
44 Menschen wurden bei diesem Angriff getötet und 230 Menschen verletzt. Danach wurden bombensichere Stollen in den Schlossberg und in den Galgenberg getrieben. Die etwa 700 Meter langen Schlossberggänge sind erhalten geblieben und können besichtigt werden. Es gibt darüber auch einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Zuflucht – vom Schlossbergstollen in Böblingen“ von Dr. Reinhard Winkelmann. Er wird immer wieder mal im Metropol-Kino gezeigt. Noch heute muss vor jedem Baubeginn der Untergrund nach Blindgängern untersucht werden. Sie werden beim Kampfmittelräumdienst an der Panzerstraße im Sindelfinger Wald unschädlich gemacht.
Die Böblinger Bärentradition
Einen Graben mit Bären, Luchsen und Wölfen gab es am Böblinger Schloss schon zur Zeit Herzog Ulrichs. Im Tübinger Schlossgraben ließ er sogar einen Löwen halten und im Stuttgarter Schlossgraben Hirsche, Rehe und Pfauen. Solche Tiere gehörten zum damaligen Unterhaltungsprogramm bei Hofe.
Im Böblinger Schlossgraben lebten 1553 schon 7 Bären, und sie vermehrten sich so prächtig, dass der Nachwuchs an andere Höfe verschenkt werden mussten. 1720 gab es sogar 8 Bären und zwei Wölfe. Zu ihrer Fütterung wurden jährlich 160 Scheffel Dinkel gebraucht und nach der Geburt von zwei weiteren Bären sogar 190. Besonders Herzog Carl Alexander war ein leidenschaftlicher Jäger. Er ließ noch in seinem Todesjahr 1737 im Schönbuch östlich von Schönaich die unterirdischen Pirschgänge anlegen und im Böblinger Schloss für die großen Feste nach der Jagd einen Ballsaal errichten. Die Böblinger Bärentradition endete nach 1790.
Der Gasthof Bären
Jeder kennt das mächtige Fachwerkgebäude mit dem imposanten Bären an der Poststraße, das heutige Filmzentrum Bären. Dass dieser Gasthof Bären einmal ein imposantes Wasserschloss außerhalb der Stadtmauern war und bis ins 16. Jahrhundert ganz vom Oberen See umschlossen war, wissen die wenigsten. Als Besitzer wird um 1087 ein Herr von Breitenstein vermutet, dann gehörte es den Pfalzgrafen von Tübingen und danach den württembergischen Grafen. Als erster „Bärenwürth“ wird Johan Voltzer genannt. Im Graben um den Bären wurden vermutlich tatsächlich Bären und Wölfe gehalten, wie es damals die Mode war. Um 1900 kaufte der Stuttgarter Bäcker- und Konditormeister August Bauer das Gebäude und baute an den Bären eine Kutscherei und einen Saal für 300 Personen an. Er war von den damals neu aufgekommenen Kinematographen so sehr angetan, dass er um 1914 einen solchen Apparat kaufte, gegen den Willen seiner resoluten Frau. Damit begann die Geschichte des Films in Böblingen. Der Kinematograph diente den Fliegern der Fea 10 als Truppenbetreuungsinstrument und verhinderte so die Beschlagnahme des Saales. Zur Aufführung kamen damals natürlich nur Stummfilme, die von einem Klavierspieler musikalisch begleitet wurden. 1928 ließ sein Sohn Otto Bauer auf dem Grundstück ein neues Gebäude, den Filmpalast, errichten. Er wurde bei dem Angriff im Oktober 1943 samt dem Saal zerstört und 1947 wieder aufgebaut. Das Filmzentrum wird schon in der 4. Generation betrieben.
Das Böblinger „Künstlerviertel“
Es ist eher ein „Künstler-Viertele“. Aber im Sommer kann man hier in gemütlichen Wirtschaften im Freien sitzen und gut essen. Einst ein Gasthaus und Friseursalon, heute eine Traditionswirtschaft, ist die „Kanne“. Sie wird seit 1955 von der Familie Hahn geführt. 1965 pachtete sie die Schwiegertochter Ruth Hahn. Ihr Mann Helmut führte tagsüber die IBM Kantine und löste abends seine Frau in der Kanne ab. Inzwischen ist die nächste Generation dran, aber Helmut Hahn steht mit seinen 84 Jahren immer noch jeden Tag hinter der Theke und in der Küche, außer am Dienstag, weil da die Wirtschaft geschlossen ist.
Der Postplatz
Er hat seinen Namen von der Königlich Württembergischen Post, die hier einmal gestanden hat. Auch das Hotel Post stand hier und die Oberamtssparkasse Böblingen. Oberhalb davon, am Schlossberg 11, war das Amtsgericht, dessen beide Gebäude den Krieg überstanden.
Die Schönbuch Brauerei mit der „Dinkelakerei“ und die Brauerei Zahn mit der „Zahnei“
Gegenüber der Schönbuch Brauerei von Wilhelm Dinkelaker stand einst die Brauerei Zahn. Gottfried Dilg hatte sie einst am Marktplatz gegründet. Als er starb, heiratete seine Witwe im Jahr 1876 den Philipp Zahn, und der verlegte die Brauerei an den Postplatz, Ecke Sindelfinger und Stuttgarter Straße. Sie wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und zählte zu den größten Brauereien in Württemberg mit einer repräsentativen Brauereiwirtschaft am Postplatz, der „Zahnei“. Die Brauerei musste 1921 den Betrieb einstellen und wurde abgerissen. In der „Zahnei“ eröffnete der Stuttgarter Brauereibesitzer Carl Dinkelacker die Gaststätte „Dinkelacker Märzen“. Das Gebäude wurde beim Bombenangriff im Oktober 1943 vollständig zerstört. Von den einstmals vielen bedeutenden Gebäuden am Postplatz steht heute nur noch die „Dinkelakerei“.
Informationsquellen:
„Böblingen – vom Mammutzahn zum Mikrochip“
Autoren: Sönke Lorenz und Günter Scholz im Auftrag der Stadt Böblingen, 2003
Markstein Verlag, ISBN 3-935129-09-2
„Böblingen in alten Ansichten“
Autor: Erich Kläger im Auftrag der Stadt Böblingen, 1976
Druck: Wilhelm Schlecht’sche Buchdruckerei Böblingen
(im Bauernkriegsmuseum erhältlich)
„Prima Donna – zur wechselvollen Geschichte einer Cannstatter Korsettfabrik“
Begleitband zur Ausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt über Sigmund Lindauer, 2012; dort erhältlich.
Herausgeber: Stadtmuseum Stuttgart und Pro Alt-Cannstatt e.V.
Archive der Sindelfinger Zeitung und der Kreiszeitung
sowie zahlreiche weitere Broschüren
Internet:
https://zeitreise-bb.de/kategorien/boeblingen/
www.boeblingen.de/
https://flughafenbb.com/
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